Ich musste erst graue Haare kriegen, um es zu erkennen: Meine ADHS-Diagnose. // I had to get gray hair to recognize it: My ADHD diagnosis.
Es ist mitten im August, es ist endlich mal wieder so richtig heiss, ich liege mit ausgestreckten Beinen in der Sonne und versuche etwas zu entspannen. Unser kleiner ummauerter Stadt-Garten, mit viel Rosmarin & Lavendel, ist eine kleine Oase, in der ich mich richtig wohl fühle.
Manchmal liege ich hier und denke für mich, ich habe alles was mein Herz begehrt und ich muss nicht wie Bär und Tiger nach Panama reisen um das Glück zu finden. Kleine, runde Schweissperlen bilden sich auf meiner Stirn und ich döse so vor mich hin, überall brummt und summt es im lila Kräuterstrauch.
Auf den ersten Blick könnte das die ideale bayerische Sommerferienszene sein, aber in Wirklichkeit ist alles ganz anders, als es aussieht. Mein Hirn kocht regelrecht und das nicht von der Tropen-Hitze. Es denkt ohne Pause und ohne Unterbrechungen: Gedanken. Nicht nur ein Gedanke, nein Tausend Gedanken rasen mir gleichzeitig durch den Kopf und ich versuche verzweifelt etwas Frieden & Ruhe zu finden. Oft greife ich zu einem Podcast, bei dem ich gut abschalten kann. Informationen sind einfach meine Wohlfühl-Entspannungs Geschichten. Während mein Hirn, das immer hungrig und gierig ist, sich an den gesprochenen Worten satt fressen kann, stellt sich schnell ein entspannendes Gefühl von Zufriedenheit ein. Bald werde Ich auch herausfinden, warum das alles so ist.
Träge wälze ich mich auf die Seite zu meinem Handy um einen Podcast aus meiner Mediathek auszusuchen. Mein Strandtuch bleibt an meinem naß geschwitzten Rücken unangenehm kleben, und da steht er vor mir in unserem kleinen Stadtgarten: ein Blitzgedanke, eine Idee, eine Vision: Schreibe ein Buch steht es da in großen Lettern vor meinem inneren Auge. Große Buchstaben empfinde ich schon immer als sehr unhöflich und zu laut. So eine Unverschämtheit denke ich mir und versuche schnell weiterzudenken. “Schreib ein Buch” brüllt mein wabbelig heißes Hirn erneut. Das ist nur wieder eine dieser vielen Visionen & Ideen Constanze die du ständig hast, aber nie zu Ende bringst. Chill dich einfach mal auf der Garten-Liege. Doch ich denke weiter, es macht mir irgendwie Spaß und da frage ich mich: Was ist wenn ich tatsächlich ein Buch zu Ende schreibe und dir meine Geschichte erzähle. Was könnte daraus Tolles entstehen? Ich denke weiter und weiter. Warum aber sollte ich um alles in der Welt ein Buch schreiben? Weil ich tief spüre dass dir meine Geschichte helfen kann und du dich danach selbst ein bisschen besser verstehen kannst. Eine Geschichte von einer fast 50 Jährigen mit ADHS die Ihr ganzes Leben ohne Diagnose gelebt hat und jetzt so langsam erkennt wer sie wirklich ist. In den Medien wird viel über junge Menschen mit ADHS gesprochen, aber die GenerationX, die ebenfalls betroffen ist, wird oft übersehen und wir GenX Frauen erst recht. Zeit das zu ändern.
Nur, wo fange ich denn jetzt am besten an? Von Gedanken schwanke ich zu Gefühlen und von Gefühlen schwanke ich zu Geschichten. Meine Geschichte ist lang, sehr lang. Denn ADHS war schon immer da. Ich habe es anscheinend immer ganz gut versteckt denn es hat tatsächlich 48 Jahre gedauert bis ich es selbst entdeckt habe. Jetzt bin ich ready in meine Superpower zu treten, denn so kann es nicht weitergehen. Ich habe viele Ideen und ich kann mich nicht entscheiden welches die beste ist. Dieses Buch wird kein langweiliges Fachbuch mit Erklärungen, Hilfestellungen und ADHS Hacks geben. Davon habe ich echt genug gelesen und gehört. Bei so manchen Ideen aus Büchern und Podcasts habe ich mich ernsthaft gefragt ob der Autor denkt dass wir intellektuell eingeschränkt sind.
Also so ein Buch wird es nicht, no way. Wir brauchen nicht noch mehr Hacks. Wir brauchen einfach mehr Akzeptanz in der Gesellschaft, Sichtbarkeit und Support unsere Superbrains zu entfalten. Drehen wir doch einfach mal den Spieß um und behaupten dass unsere neurotypischen Nachbarn dringend Hilfe brauchen. Sei es dass sie uns besser folgen können, nicht so endlangweilig sind, Komfortzonen mit verlassen und einfach mal ein bisschen lebendiger sind. Warum sind denn wir die Diversen und nicht die Typischen?
Anyway, da sind wir schon mittendrin in meiner Gehirnexplosion und prompt klingelt mein Wecker der mich daran erinnert ein wichtiges To do zu erledigen. Ich habe es dankend zur Kenntnis genommen und natürlich nicht erledigt.
In der Tat gibt es viele Constanzes in meinem Leben, es gibt erfolgreiche und gescheiterte, glückliche und traurige, geliebte und gemobbte. Das absurde ist, alle gehören sie zu mir und haben mich zu dem Menschen gemacht der ich heute bin. Ich möchte mit der Constanze anfangen die ich heute bin und die vor 6 Monaten heulend im Keller auf einem Wäscheberg in Skihose saß und nicht mehr weiter wusste. Ich dachte jetzt ist es vorbei, ich werde meine Ziele nie erreichen, ich bin zu schwach, zu unfähig und sehr wahrscheinlich in einem Burnout oder einer Depression gelandet. Ich hatte keine andere Erklärung für mein Gefühl, ich hatte einfach keine Kraft, Motivation & Lebensfreude mehr. Ich habe nichts mehr hingekriegt, die kleinsten Aufgaben konnte ich nicht mehr umsetzen und ich konnte es einfach nicht mehr verstecken. Als mich dann mein Mann eines Abends heulend vor meinem Rechner fand war es klar dass irgendetwas nicht stimmt. Natürlich wusste ich dass ich wieder in meine Kraft kommen müsse, aber verdammt nochmal wie? Da gab ich so vielen Menschen Ratschläge und unterstütze sie, nur ich selbst, ich kriegte es einfach nicht hin. So langsam baute sich auch immer mehr und mehr Druck auf da natürlich nicht nur meine Familie darunter litt sondern auch meine Selbstständigkeit. Ich war wie gefangen und gelähmt und ich hatte das Gefühl eine Riesenblockade in meinem Kopf zu haben. Aber das sollte sich bald alles ändern.
An einem kalten Winterwochenende hatte ich Besuch von zwei guten Freundinnen, die genauso energiegeladen sind wie ich. Wir saßen in der Küche, erzählten uns von unseren Lieblingspodcasts, und es war laut, lustig, chaotisch – ein wildes Durcheinander. Plötzlich brach eine meiner Freundinnen in schallendes Gelächter aus und rief: "Wir mit unserem ADHS!" ADHS? Wie bitte? Leicht verwundert und ein bisschen gekränkt dachte ich nur: Wenn hier jemand ADHS hat, dann du, doch ich? Auf keinen Fall! Ich bin ruhig, fokussiert und strukturiert – ganz im Gegensatz zu euch. Innerlich fühlte ich mich fast beleidigt, wie man mir so etwas unterstellen konnte.
Doch dieser eine Satz hatte sich bei mir eingeprägt und mein liebes Hirn, das wie ihr wisst sehr gerne denkt lies den Gedanken einfach nicht los, drehte und wendete ihn bis ich nach ein paar Tagen an einem Abend in der Suchleiste von Google “ADHS Testen” recherchierte. Ich landetete prompt bei einem Erfahrungsbericht einer Betroffenen die nicht Constanze hiess, dennoch meine Geschichte erzählte. Ich wurde kreidebleich und in dem Moment wusste ich es, das hat mit mir zu tun. Innerhalb weniger Minuten verschlang ich den Text und stellte fest dass diese Person von meinem Leben schrieb. Das ist doch meine Geschichte die du da erzählst. Ich war sprachlos, ich war gelähmt und schockiert zu gleich. Jetzt wusste ich erst recht nicht weiter. Mich überforderte die Situation völlig und ich fragte mich Was ist wenn das wahr ist? Wenn auch ich ADHS habe und es nie erkannt worden ist? Was ist wenn all meine Erfahrungen, Herausforderungen und Enttäuschnungen ganz einfach damit zu tun haben könnten? Erneut blieb ich schweigend da sitzen. Ich schüttelte wild meinen Kopf da ich es einfach nicht glauben konnte. Ich muss Benny diesen Text zeigen dachte ich leise ging ich die Treppe zu Bennys Büro hoch.
With grey hair and a new perspective: My life and the late discovery of ADHD.
It's the middle of August. Finally, a real summer heat has returned, and I’m lying back in the sun, legs stretched out, trying to relax. Our small, walled city garden—with plenty of rosemary and lavender—is my little oasis, a place where I feel completely at ease.
Sometimes I lie here thinking, "I already have everything my heart desires," and I don’t need to go off searching for happiness, like Bear and Tiger going to Panama. Tiny, round beads of sweat form on my forehead as I drift off to the soft hum and buzz of insects in the purple herb bush.
At first glance, this could be an idyllic summer scene straight out of Bavaria, but in reality, things aren’t quite as they appear. My brain feels like it’s boiling—and not just from the tropical heat. It’s racing, churning through thoughts without pause or interruption. Not just one thought—thousands of them, all at once, whizzing around in my head as I desperately try to find some peace. I often turn to a podcast, one that lets me switch off. Information-filled stories are my go-to relaxation escape. While my endlessly hungry brain devours the spoken words, a comforting sense of satisfaction soon settles in. And soon enough, I'll find out why all of this is happening.
Lazily, I roll over to my side to grab my phone and pick a podcast from my library. My beach towel sticks uncomfortably to my sweaty back, and suddenly it’s there in front of me, right in our little garden: a lightning thought, an idea, a vision. Write a book, it blares out in big letters before my mind’s eye. Big letters have always felt rude and loud to me. "What nerve," I think, trying to quickly move on. “Write a book,” my hot, gooey brain shouts again. “This is just another one of those ideas, Constanze—just one of the many you never follow through on. Just chill on the garden lounger.” But my mind keeps going, and I find myself enjoying it. I ask myself: What if I actually wrote a book and told my story? What could come of that? My thoughts race on and on. But why, oh why, should I write a book? Because, deep down, I feel like my story could help you understand yourself a bit better. This would be a story about a nearly 50-year-old woman who lived her entire life undiagnosed and is only now beginning to recognize who she truly is. The media often highlights young people with ADHD, but Generation X, who are also affected, is frequently overlooked—and especially us Gen X women. It’s time to change that.
But where should I even begin? My thoughts swing between emotions and stories. My story is long, very long. ADHD has always been there, lurking under the surface. Apparently, I hid it well, because it took me 48 years to finally discover it for myself. Now, I’m ready to embrace this as my superpower—because things can’t continue like this. I have too many ideas and can’t decide which one’s the best. This book won’t be a boring manual filled with explanations, tips, or ADHD hacks. I’ve read and heard enough of that already. Some book and podcast suggestions left me seriously wondering if the author thought we were intellectually challenged.
This will not be that kind of book—no way. We don’t need more hacks. What we need is acceptance in society, visibility, and support to unleash our "super brains." Let’s flip the narrative and claim that it’s our neurotypical neighbors who need help—so they can keep up with us, be less predictable, step out of their comfort zones, and add a bit of zest to their lives. Why are we labeled "diverse" instead of them?
Anyway, here we are, deep in my brain explosion, and right on cue, my alarm goes off to remind me of an important to-do. I gratefully take note of it—and of course, I don’t complete it.
In fact, there are many different Constanzes in my life—successful and failed, happy and sad, loved and rejected. Absurd as it is, they all belong to me and have made me who I am today. I want to start with the Constanze I am today—the one who, six months ago, was crying in the basement, sitting on a pile of laundry in ski pants, feeling utterly lost. I thought, "This is it; I’ll never reach my goals. I’m too weak, too incapable, probably on the brink of burnout or depression." I had no other explanation for my feelings. I just had no energy, motivation, or joy left. I couldn’t manage even the smallest tasks, and I could no longer hide it. When my husband found me crying at my desk one evening, it became clear that something wasn’t right. I knew I needed to get my strength back—but damn it, how? I gave so much advice to others, helped them out, yet I just couldn’t help myself. Gradually, the pressure kept building because it wasn’t only my family suffering, but my business, too. I felt trapped, paralyzed, like a massive blockade was sitting in my head. But soon, everything would change.
One cold winter weekend, two good friends visited—both just as energetic as I am. We sat in the kitchen, sharing our favorite podcasts. It was loud, funny, chaotic—a wild mess. Suddenly, one of my friends burst out laughing and shouted, "Us and our ADHD!" ADHD? Excuse me? I thought, slightly taken aback and a bit offended. If anyone has ADHD here, it’s you—but me? No way! I’m calm, focused, organized—quite the opposite of you two. Internally, I felt almost insulted that they’d suggest such a thing.
Yet that one sentence stuck with me, and my dear brain, which loves to overthink, wouldn’t let it go. It twisted and turned the thought around until, a few days later, I found myself typing “ADHD test” into Google. I stumbled upon a testimonial by someone who, although not named Constanze, was essentially telling my life story. My face went pale, and in that moment, I knew this had something to do with me. Within minutes, I devoured the text, realizing that this person was describing my life. "This is my story you're telling," I thought, feeling speechless, paralyzed, and shocked all at once. I was overwhelmed by the situation and wondered: What if this is true? What if I have ADHD and it’s gone unnoticed all this time? What if all my experiences, struggles, and disappointments could be explained by this? I sat there in silence, shaking my head because I just couldn’t believe it. "I have to show this to Benny," I thought quietly as I climbed the stairs to Benny’s office….